Beutetanz – Ulrika Rolfsdotter

Mit Beutetanz habe ich nun den zweiten Fall rund um die Psychologin Annie Ljung gelesen – und wie so oft bin ich wieder mitten in eine Reihe eingestiegen, ohne den ersten Band zu kennen. Das ist eigentlich typisch für mich. Im Nachhinein denke ich dann immer: Warum nicht gleich vorne anfangen? Denn natürlich merkt man, dass es Vorgeschichten gibt – kleine Andeutungen und Entwicklungen, die ohne das Vorwissen aus dem ersten Buch nicht ganz ihre Tiefe entfalten. Aber gut, das habe ich mir selbst eingebrockt.

Trotzdem hat mir das Buch richtig gut gefallen. Der Schreibstil ist flüssig, klar und angenehm zu lesen. Ich kam sehr gut voran, was für mich ein echtes Qualitätsmerkmal ist. Keine unnötigen Längen, keine überkomplizierten Konstruktionen – einfach ein gut erzählter Krimi, der ohne Effekthascherei auskommt. Besonders mochte ich, wie die Autorin mit wenigen Worten Stimmung erzeugt. Sie beschreibt nicht endlos, sondern gezielt – und das reicht vollkommen, um Bilder im Kopf entstehen zu lassen.

Die Figuren – allen voran natürlich Annie Ljung – sind glaubwürdig und wirken echt. Ich habe mich schnell auf sie einlassen können. Annie ist keine überzeichnete Superheldin, sondern ein Mensch mit Ecken, Kanten und Verletzlichkeit. Gerade das macht sie interessant. Ich mag es, wenn Figuren ein Innenleben haben, das nicht überdramatisiert wird, sondern einfach mitschwingt. Auch die Nebenfiguren sind gut eingebunden, man spürt, dass es da Beziehungen, Spannungen und Entwicklungen gibt – auch wenn mir durch das Überspringen des ersten Teils sicher einiges entgangen ist.

Der Kriminalfall selbst ist spannend aufgebaut, ohne überladen zu sein. Es gibt Wendungen, bei denen ich kurz schlucken musste, aber nichts wirkt konstruiert. Besonders gelungen finde ich die psychologische Tiefe, die sich wie ein roter Faden durchzieht. Das passt natürlich hervorragend zur Hauptfigur, aber auch insgesamt zur Atmosphäre des Buches. Es geht nicht nur darum, wer der Täter ist, sondern auch um die Frage: Warum? Und was macht das mit den Menschen, die betroffen sind?

Ein Punkt, den ich etwas irritierend fand, ist der deutsche Titel: Beutetanz. Er wirkt auf mich nicht besonders stimmig im Kontext der Geschichte. Nachdem ich ein wenig recherchiert habe, weiß ich, dass der schwedische Originaltitel eigentlich etwas ganz anderes bedeutet – und meiner Meinung nach auch besser zur Geschichte passen würde. Natürlich kann die Autorin nichts für die deutsche Titelwahl, aber es beeinflusst doch, wie man an das Buch herangeht.

Sehr positiv überrascht hat mich die Atmosphäre, die Ulrike Rolfsdotter schafft. Die Geschichte spielt in Ådalen – also in Mittelschweden, nicht etwa im hohen Norden, wie man vielleicht spontan denkt, wenn man „schwedischer Krimi“ hört. Die Landschaft wird eindrucksvoll, aber nie kitschig beschrieben. Man spürt die Kälte, die Abgeschiedenheit, das Unausgesprochene in der Luft. Die Umgebung ist hier nicht nur Kulisse, sondern Teil der Geschichte, beinahe selbst eine Figur. Das gefällt mir besonders, weil es der Handlung zusätzlich Tiefe gibt.

Fazit: Beutetanz ist ein kluger, atmosphärisch dichter Kriminalroman mit einer Hauptfigur, die man gern begleitet – gerade weil sie nicht perfekt ist. Der zweite Band funktioniert auch ohne Vorkenntnisse, macht aber neugierig auf den ersten. Ulrike Rolfsdotter schreibt ruhig, psychologisch feinfühlig und mit einem guten Gespür für Zwischenmenschliches. Wer skandinavische Krimis mag, die nicht nur auf Spannung, sondern auch auf Tiefe setzen, sollte sich Annie Ljung und ihre Fälle auf jeden Fall merken. Ich jedenfalls werde mir Tiefes, dunkles Blau nachholen – und hoffe, dass es noch weitere Fälle geben wird.

⭐️⭐️⭐️⭐️

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